In den letzten vier Jahren habe ich mit mehr als 40 verschiedenen Espressomaschinen Kaffee gearbeitet. Viele haben gute Arbeit geleistet, viele haben in einzelnen Kategorien überzeugt. Und doch haben einige Maschinen aus einem Segment mich immer mehr enttäuscht: Espressomaschinen mit Boiler bzw. Kessel. Ob Zweikreiser-, Dualboiler- oder Einkreiserespressomaschinen - oft war es so, dass die teuersten im Bunde in zwei zukunftsweisenden Kategorien am meisten versagt haben.
1. Die Aufheizgeschwindigkeit der Espressomaschinen
Espressomaschinen mit Boiler brauchen in der Regel über 20 Minuten, bis diese die Brühgruppe und den Siebträger aufgeheizt haben. Je größer der Boiler, desto länger dauert es in aller Regel, bis die Maschine einsatzbereit ist.
Einsatzbereit bedeutet dabei nicht eine blinkende Lampe an der Espressomaschine, sondern die gewünschte Brühtemperatur von rund 93 Grad Celsius auf dem Kaffee und im Siebträger und das über die Dauer der Brühzeit.
2. Geringer Stromverbrauch der Espressomaschine
Espressomaschinen die lange brauchen um auf Temperatur zu kommen, verbrauchen in dieser Zeit viel Strom. Zum einen müssen sie die gesamte Masse der notwendigen Komponenten aufheizen, zum anderen das Wasservolumen im Kessel. Das dauert und zieht über den gesamten Zeitraum Energie.
Viele Zweikreiser verbrauchen bis zum fünften Doppelespresso die drei- bis vierfache Menge des Stroms, den eine ganze Reihe Thermoblocks benötigen. Die Ascaso Steel Duo PID kommt auf einen Verbrauch von 0,09 kWh und ebenso ist es mit Modellen von Sage. Bei Dualboiler haben wir teilweise die fünffache Menge verwendeter Energie gemessen.
Beides ist zum Espresso machen Zuhause ein wirklicher Nachteil. Ich will Espresso trinken, wenn ich Lust auf den Espresso habe und nicht 20 bis 30 Minuten nachdem ich mich für einen Espresso entscheide. Und ich will dabei nicht den halben Raum mit aufheizen, sondern zielgerichtet die Wassermenge, die ich zum Brühen meines Kaffes brauche.
Genau bei diesen beiden Hauptkritikpunkten die ich an Espressomaschinen mit Boiler habe, überzeugt die La Marzocco Linea Micra. Es gelingt ihr, innerhalb von nur 5 Minuten auf Betriebstemperatur zu kommen. Voraussetzung dafür ist, dass der Dampfkessel nicht ebenfalls gestartet wird. Dann verlangsamt sich die Aufheizung auf 8 Minuten, was immer noch schnell ist.
Der 0,23 Liter fassenden Brühkessel ist bereits beim ersten Bezug nach 5 Minuten nah an der Zieltemperatur und mit dem zweiten und dritten Bezug voll im Sollbereich (siehe dazu auch unsere ausführlicher Testbericht).
Dieser Kunstgriff gelingt La Marzocco, weil die ganze Maschine auf dieses Ziel hin entwickelt wurde. Eine wichtige Komponente ist dafür der bodenlose Siebträger, der mit zwei polymer (Kunststoff) Aufsetzen zu einem 1er und 2er Siebträger umgestaltet werden kann.
Bei vielen Kaffeenerds hat der "Plastiksiebträger" einen Abwehrreflex provoziert. Konsequent durchgedacht macht dieser aber Sinne. Durch die reduzierte Masse des Siebträgers dauert das Aufheizen nicht so lange. Oft sind gerade die Siebträger noch nicht warm, wenn schnell heizende Maschinen angeben, dass sie im Prinzip bereits auf Wassertemperatur sind.
Es gibt bei der Betrachtung der Wärme zwei Perspektiven, die für die Extraktion bzw. die Wahrnehmung des Getränkes wichtig sind. Die Brühkammer rund um den Kaffee ist schneller heiß, zumal das Sieb wenig Kontakt mit dem Siebträger hat und so wenig Wärme an diesen abgibt. Eine gute Brühung auf Temperatur ist demnach schneller möglich.
Für viele Kaffeetrinker spielt auch die Wärme des eigentlichen Getränkes eine große Rolle. Fällt nun der Espresso auf einen noch nicht heißen Metallsiebträgerauslauf, gibt dieser Temperatur an den Siebträger ab und kommt vergleichsweise kühler in der Tasse an. Im Vergleich zum Plastiksiebträger sind das zwischen 5 und 10 Grad, da dieser Auslauf keinen Wärmeaustausch mit dem Espresso eingeht.
Mit ausgeschaltetem Dampfboiler ist die La Marzocco Linea Micra die Espressomaschine mit dem geringsten Stromverbrauch, die ich bisher getestet habe. 0,07 kwh zeigte die Anzeige an, als wir fünf doppelte Espressi in der Tasse hatten.
Das ist eine beeindruckende Zahl und Ansage. In Verbindung mit der schnellen Aufheizzeit öffnet damit La Marzocco ganz neue Einsatzmöglichkeiten für eine Espressomaschine mit Boiler.
Während Boiler in vielen Haushalten mehr oder weniger den ganzen Tag angeschaltet bleiben, weil das Aufheizen so lange dauert, kann die La Marzocco Linea Micra ohne weiteres an- und ausgeschaltet werden. Die Espressomaschine ist in Kürze wieder bezugsbereit. Das macht richtig Freude und ist genau das, was ich mir von einer Espressomaschine für Zuhause wünsche.
Trotz allem ist die La Marzocco Linea Micra im Gesamtpaket nicht die Maschine, die mich vollends begeistert. Dafür bleiben einfach zu viele Wünsche an anderen stellen offen.
Eine Espressomaschine ohne Flowmeter entspricht nicht meinen Nutzungsverhalten. Ich erwarte von einer Espressomaschine, dass sie mir sauber die gewünschte Wassermenge liefert und nicht nötig macht, dass ich diese jedes Mal mit eine Waage abwiege. Ich finde erstaunlich, dass viele Espressomaschinen im Segment unter 1000 Euro mit Flowmeter daher kommen und ein ein Topmodell wie die Linea Mini und Linea Micra darauf verzichtet.
Mich stört, dass das Paddle mir das Gefühl gibt, dass Brührprofile mit der Maschine umsetzbar wären, was aber ebenfalls nicht geht. Die gleiche Kritik habe ich an der preislich höher angesetzten Linea Mini von La Marzocco.
Weitere Kritikpunkte:
Trotz der genannten Kritikpunkte freue ich mich über die La Marzocco Linea Micra. Sie setzt neue Maßstäbe in Sachen geringer Energieverbrauch und legt eine beeindruckende Startgeschwindigkeit hin. Genau dieses positive Beispiel hat der Markt gebraucht. Daran werden sich andere Hersteller in Zukunft messen lassen. Niemand wird mehr behaupten können, dass Boilermaschinen dazu nicht in der Lage sind.
Ich freue mich auf die nächsten Espressomaschinen die auf den Markt kommen. Mal sehen, wer die La Marzocco in beim Energieverbrauch unterbietet und gleichzeitig so Temperatur- und Geschwindigkeitsperfomance hinlegt.
Weitere Links zur La Marzocco Linea Micra
Jan
VG Jan
Georg
Stefan
du meintest viele Espressomaschinen unter € 1.000 verfügen über ein Flowmeter. Könntest du mal ein paar Beispiele aufzählen? Vielen Dank.
Thomas
Daniel
Was denkst du?